Lange vor dem Krieg in der Ukraine hat Schlangen 4.0 vor einer massiven Intensivierung des militärischen Übungsbetriebes auf dem Truppenübungsplatz Senne durch die britische Armee und deren Strategiewechsel gewarnt. Dieser Prozess ist nach Ansicht der Initiative in vollem Gange, mit gravierenden Konsequenzen für Mensch und Natur, sowie für die Entwicklungsperspektiven in Ostwestfalen-Lippe.
Rund um den Truppenübungsplatz wackeln in den Anrainerkommunen seit Anfang des Jahres wieder die Wände, vibrieren die Fensterscheiben und verkriechen sich Haustiere und Bewohner ängstlich in ihren vier Wänden. Auch mit dem offiziellen Ende der Artillerieübungen – täglich wird von 8 bis 17 Uhr mit scharfen 150 mm Geschossen gefeuert – kehrt keine Ruhe ein. Die ganze Nacht über ist das Dröhnen von Kettenfahrzeugen zu hören. Auch der Sonntag bildet dabei keine Ausnahme. Neben Artillerie sind auch immer wieder Handfeuerwaffen und Schützenpanzer unüberhörbar. Neben den britischen Streitkräften beschallen auch Kampfjets vom Luftwaffenstützpunkt Nörvenich zunehmend alle Sinne in der Senne.
Über das Lärmmeldeformular der Initiative Schlangen 4.0 gehen in diesen Tagen zahlreiche Mitteilungen besorgter Bürgerinnen und Bürger ein. Viele äußern die Sorge, dass sie die andauernde Lärmbelastung krank macht. Andere haben Angst, dass die weithin spürbaren Erschütterungen Schäden an ihrem Eigentum anrichten und fragen sich, an wen sie sich bei Schäden, wie Rissen am Gebäude oder zerborstenen Fensterscheiben, wenden können. Auch Patienten und Kurgäste aus dem an den Truppenübungsplatz angrenzenden Bad Lippspringe melden sich zu Wort. Sie fragen, in welchem „Kriegsgebiet“ sie zur Erholung gelandet sind und wie sie unter diesen Umständen genesen sollen.
Neben den unmittelbaren Beeinträchtigungen aus dem laufenden Manöver gibt es weitere Entwicklungen und Pläne der Militärs, die insbesondere langfristig negative Konsequenzen auf Menschen, Natur und die Region haben werden.
Während Politik, Naturschützer und die Medien auf den kleinen Ort Lützerath schauen, vollzieht sich in Ostwestfalen-Lippe – hinter neu errichteten Zäunen und Gräben – durch die britischen Streitkräfte die systematische Zerstörung des wertvollsten Naturraums im bevölkerungsreichsten Bundesland.
Die Senne – nicht nur mit Teutoburger Wald und Eggegebirge im Verbund ein nationalparkwürdiger Hotspot von europaweiter Bedeutung für Flora und Fauna – ist der Willkür der britischen Streitkräfte unter dem Deckmantel von NATO-Operationen hilflos ausgeliefert. So werden bislang unberührte Bereiche des Truppenübungsplatzes für den erweiterten Übungsbetrieb „aufbereitet“. Beispielsweise werden die wertvollen Binnendünen für Zielvorrichtungen aufgegraben (siehe Titelbild), Schützengräben in den kostbaren Tälern der Sennebäche angelegt, Bäume gefällt und neue Panzertracks angelegt. Kampfhubschrauber kreisen außerhalb der Grenzen des Übungsplatzes über Siedlungen und Kureinrichtungen und verschrecken im Tiefflug Mensch und Tier. Tausende Soldaten und schwere Militärfahrzeuge können sich nach Belieben über den Grundwasservorräten von Paderborn und Bielefeld austoben. Eine Frage der Zeit, bis es zu einem ernsthaften Zwischenfall kommen wird. Experten warnen schon lange eindringlich vor einer Intensivierung der militärischen Nutzung und vor den daraus resultierenden Gefahren für die Trinkwasserversorgung der beiden Großstädte.
Inzwischen hat die Schlänger Bürgerinitiative auch von neuen Plänen der Briten erfahren, die Kasernen in Sennelager zu renovieren und auszubauen, und somit die militärische Präsenz immer weiter aufzurüsten.
Die einstmals als Hoffnungsträger für Tourismus, Regionalentwicklung und Gesundheitsregion gehandelte Gebietskulisse rund um die Senne verkommt zu nicht viel mehr als einem Außenposten des Empires für die Dinge, die man nicht gerne vor der eignen Haustür macht oder hat. Im dicht besiedelten Ostwestfalen-Lippe können die Briten ohne Gegenwind den Lärm machen, den sie so auf elegante Weise von ihrer eigenen Bevölkerung fernhalten. Und dabei generieren sie auch noch lukrative Einnahmen aus dem Militärbetrieb für die britische Staatskasse. Denn sind es einmal nicht die Soldaten und Soldatinnen seiner Majestät, die in der Senne üben, vermieten die Streitkräfte das Areal gegen harte Währung an Truppen aller Herren Länder.
Auf Grundlage einer antiquierten Senne-Vereinbarung agieren die „Freunde“ von der Insel in bester Besatzermanier. So blockieren sie auch den Bau von Windkraftanlagen im Teutoburger Wald und berufen sich dabei auf Regelungen aus dem Jahr 1946. Selbst zur Blütezeit des Kalten Krieges war ein ausgewogenes Miteinander von Militär, Natur und Mensch möglich. Dieses Gleichgewicht ist in den letzten Jahren zu Gunsten der Briten und zu Lasten der Region gekippt. Dabei kann man den Strategen der Briten nicht einmal Vorwürfe machen. Sie haben in Ostwestfalen-Lippe ein Leben wie die sprichwörtliche Made im Speck. Nicht nur, dass sie den Lärm und Belastungen in ihrer Heimat vermeiden. Sie können in Ostwestfalen-Lippe quasi ohne Widerstand machen, was sie wollen. Oftmals sogar mit freundlicher Unterstützung der deutschen Behörden und der Politik.
Im Interesse der Bevölkerung und der Region fordert Schlangen 4.0 erneut von deutscher Seite eine strenge Überwachung der Lärmimissionen auf und um den Truppenübungsplatz. Darüber hinaus muss gewährleistet werden, dass die Zugänglichkeit zur Senne für die Bevölkerung besteht und entsprechend ursprünglich getroffener Vereinbarungen eingehalten wird. Gegebenenfalls ist die Senne-Vereinbarung im Interesse der hier lebenden Menschen neu zu verhandeln. Abschließend sollten die deutschen Verantwortlichen mit Vehemenz den Erweiterungsplänen der Briten entgegenwirken. Ein ganzjähriger 24/7 militärischer Übungsbetrieb hat im dicht besiedelten NRW und in der Gesundheitsregion Ostwestfalen-Lippe keinen Platz. Die Entwicklungsperspektiven der Region und die Lebensqualität der hier lebenden Menschen dürfen sich nicht den eigennützigen Plänen der Briten unterordnen.
Eine kleine Auswahl an Kommentaren aus der Bevölkerung *
* die vollständige Liste an Meldungen mit Ort, Zeit, etc. stellen wir Behörden und Presse gerne zur Verfügung. In regelmäßigen Abständen leiten wir die Informationen an die Bürgermeister und das zuständige Lärmmanagement bei der Bundeswehr weiter.